Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXVI

Verfahren Nr.758 - 767 (1971 - 1972)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.758 LG Kiel 02.08.1971 JuNSV Bd.XXXVI S.5

 

Lfd.Nr.758    LG Kiel    02.08.1971    JuNSV Bd.XXXVI S.11

 

Ric.s Vater war unter anderem Stadtrat und in einer Freimaurerloge Meister vom Stuhl. Der Angeklagte Ric. hatte noch zwei Brüder, die inzwischen verstorben sind.

Der Angeklagte Ric. wuchs in Guben auf. Ostern 1922 bestand er die Reifeprüfung. Er studierte sodann in Berlin und in Jena Rechtswissenschaft. Er war auch Mitglied einer studentischen Verbindung.

Am 6.Dezember 1926 trat er erstmals in die NSDAP ein. Er erhielt die Mitgliedsnummer 48512. Im August 1933 trat er dem NSKK bei. Im März 1934 wurde er Mitglied der SA.

 

Die erste juristische Staatsprüfung bestand der Angeklagte Ric. am 13.Dezember 1930 beim Oberlandesgericht Jena. Vom 16.April 1931 bis zum 17.Juli 1934 befand er sich im juristischen Vorbereitungsdienst im Kammergerichtsbezirk. Vor Abschluss seiner Referendarausbildung nahm er an einem Lehrgang im Referendararbeitslager "Hanns Kerrl" teil. Am 24.November 1934 bestand er die grosse juristische Staatsprüfung beim Kammergericht.

Am 1.Dezember 1934 wurde der Angeklagte Ric. zum Gerichtsassessor ernannt. Er war jedoch zu keiner Zeit im Justizdienst tätig. Von der Justizverwaltung wurde er zunächst zur Dienstleistung bei der inneren Verwaltung und dann bei der Geheimen Staatspolizei freigestellt. Nach bestandenem Staatsexamen hatte er sich über den NS-Juristenbund, dessen Mitglied er war, gleichzeitig um Vermittlung eines Kommissoriums bei der Justiz und um Übernahme in die Preussische innere Verwaltung bemüht. Der Juristenbund teilte seine Anschrift ausserdem dem unter der Leitung des SS-Gruppenführers Heydrich stehenden geheimen Staatspolizeiamt mit, das damals gerade geeignete Bewerber suchte. Der Angeklagte Ric. wurde nach seiner unwiderlegten Darstellung vorgeladen, lehnte aber nach Vorstellung bei Heydrich seine Übernahme in das geheime Staatspolizeiamt ab. Bald darauf erhielt er als Gerichtsassessor sein erstes Kommissorium beim Amtsgericht Guben. Bevor er seinen Dienst antrat erfuhr er, dass er dort die Abteilung für Grundbuch-, Register- und Zwangsvollstreckungssachen übernehmen sollte. Dies sagte ihm jedoch nicht zu. Er wandte sich daher wegen seiner laufenden Bewerbung an das Reichs- und Preussische Innenministerium und er erfuhr, dass seine Einberufung in den Dienst der Preussischen allgemeinen Verwaltung bevorstehe. Er trat daher seinen Dienst bei der Justiz gar nicht erst an, sondern begann Anfang Februar 1935 beim Polizeipräsidenten in Berlin den Probedienst in der Preussischen inneren Verwaltung unter gleichzeitiger Beurlaubung vom Justizdienst.

 

Ric. kam zunächst für die Dauer von 3 Monaten ausbildungshalber zur Staatspolizei Berlin. Später wurde ein Teil der Beamtenschaft, darunter auch Ric., in das Preussische Staatspolizeiamt überführt. Er hat nicht von der beamtenrechtlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht, auf den Probedienst bei der Gestapo zu verzichten und entsprechend seiner Anstellung als Gerichtsassessor in den Justizdienst zurückzukehren. Am 16.Januar 1936 wurde er in die preussische geheime Staatspolizei übernommen und schied aus dem Justizdienst aus. Am 30.Januar 1936 wurde er zum Regierungsassessor ernannt. Anschliessend war er bei der Geheimen Staatspolizeistelle Berlin tätig. Am 9.März 1936 wurde Ric. Leiter der Staatspolizeistelle in Allenstein. Zugleich war er politischer Referent des dortigen Regierungspräsidenten. Im Laufe der Zeit kam es zwischen der Staatspolizeistelle Ric.s einerseits und den örtlichen Sicherheitsdienst in Allenstein, sowie dem SS-Oberabschnitt in Königsberg andererseits zu erheblichen Spannungen. Ric.s politisches Eintreten wurde in Frage gestellt. Aus solcher Veranlassung musste sich der Angeklagte Ric. in Berlin bei seinem Dienstvorgesetzten verantworten. Er selbst beschwerte sich seinerseits bei Heydrich.

 

Damals begann die Verschmelzung von SS und Polizei. Durch Erlass des Führers und Reichskanzlers vom 17.Juni 1936 wurde Himmler "Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei". Kurz darauf wurde angeordnet, dass die Leiter der Staatspolizeistellen in die SS zu übernehmen seien. Ric. wurde vom Zeugen Dr. Be. in Berlin aufgefordert, sich zu diesem Zweck beim SS-Oberabschnitt in Königsberg zu melden. Wegen der erwähnten Spannungen hatte Ric. zunächst mit der Übernahme in die SS Schwierigkeiten. Erst auf die ausdrückliche