Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.526a LG Karlsruhe 20.12.1961 JuNSV Bd.XVIII S.69

 

Lfd.Nr.526a    LG Karlsruhe    20.12.1961    JuNSV Bd.XVIII S.103

 

bearbeitet. Das schloss nicht aus, dass auch dann ihre Exekution vorgeschlagen wurde. Die Sachbearbeiter hatten zunächst nur die Möglichkeit, zwischen Freilassung und Exekution zu entscheiden. Hatten die Ermittlungen den Vorwurf der Anzeige - Jude, Partisan, Saboteur, Agent etc. - bestätigt, dann waren die Sachbearbeiter gehalten, die Exekution vorzuschlagen; anderenfalls erfolgte Freilassung. Etwa ab April/Mai 1942 kam als dritte Möglichkeit noch die Einlieferung in das sog. Arbeitserziehungslager (I.3.b.) hinzu, das E. vor allem auf Dr. Schumachers Betreiben hin hatte einrichten lassen. Für die Aufnahme in dieses Lager wurden vor allem qualifizierte Arbeitskräfte oder auch sonst irgendwie noch arbeitsverwendungsfähige Personen bestimmt. Waren die Vorgänge vom Sachbearbeiter mit Schlussbericht (ausser bei Judenfällen) und Entscheidungsvorschlag abgeschlossen, wurden sie dem Abteilungsleiter vorgelegt, der sie gegenzeichnete und sich dadurch mit dem Entscheidungsvorschlag einverstanden erklärte. Eine Ausnahme davon machte lediglich Dr. Schumacher, solange er Abteilungsleiter war.

Er unterliess eine Gegenzeichnung der einzelnen Vorgänge, jedenfalls soweit es sich um Judenvorgänge handelte, hatte aber zuvor die Entscheidungsvorschläge jeweils mit dem Sachbearbeiter besprochen, so dass sie auch ohne seine Gegenzeichnung von seiner Zustimmung getragen waren. Die im Geschäftsgang eigentlich erforderliche Gegenzeichnung unterliess er, weil er so wenig als irgend möglich bei der Ausrottung schuldloser Menschen mit Hand anlegen wollte.

 

Über die Geschäftsstelle, die von Anfang bis Ende der KdS-Dienststelle mit dem damaligen SS-Rottenführer Bo., der als Zeuge vernommen wurde, besetzt war, liefen die Vorgänge sodann wieder über die Adjutantur zum Kommandeur, dem Angeklagten E. Dieser prüfte jede Sache einzeln nach, zeichnete sie ab und liess sie über die Adjutantur wieder zurück zur Geschäftsstelle gehen. Es kam vor, dass der Angeklagte E. bei seiner letzten Entscheidung vom Entscheidungsvorschlag der Abteilung abwich. So wies er einen zur Exekution Vorgeschlagenen ins Arbeitslager ein, wenn ihm seine Arbeitskraft noch tauglich und für die Dienststelle brauchbar schien. Auch sah er in ganz wenigen Fällen von der Exekution ab, wenn er den Häftling als geeignet für Agententätigkeit erachtete; beides kam auch bei Juden vor. Er ging aber ebenso auch von Freilassungs- oder Vorschlägen auf Einweisung in das Arbeitslager zur Exekutionsentscheidung über, wenn er z.B. als zweifelhaft berichtete Judenfälle für nicht zweifelhaft ansah oder ihm trotz bestehender Zweifel die Exekution geboten schien. Bei ihm lag die letzte Entscheidung über Leben oder Tod der Häftlinge.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass er in wenigen Einzelfällen Rücksprache mit dem BdS Dr. Thomas nahm und sich von ihm Weisungen geben liess; in Judenfällen ist dies jedoch nicht geschehen. Hier war ihm befohlen, alle Juden der Sonderbehandlung zuzuführen.

 

Mit den einzelnen Vorgängen wurde dem Angeklagten E. auch eine Exekutionsliste vorgelegt, die jeweils der Zeuge Bo. an Hand der Akten, wie sie die Abteilung zum Kommandeur hin verliessen, gefertigt hatte. Die Liste enthielt die Namen der zu Exekutierenden. Dass sie darüber hinaus auch noch Eintragungen über den Exekutionsgrund wie z.B. "Jude, Partisan" etc. enthielt, konnte nicht mehr sicher festgestellt werden. Auch sie wurde von dem Angeklagten E. nach Durcharbeitung der Akten genehmigt oder entsprechend abgeändert.

Nachdem der Angeklagte E. entschieden hatte, liefen die Vorgänge mit der Exekutionsliste zurück zum Geschäftszimmer der Abteilung IV. Waren für eine Exekution ausreichend Häftlinge bestimmt worden, setzte der Kommandeur den Exekutionstag fest. Das geschah in der Regel einmal wöchentlich, überwiegend samstagmorgens, aber auch an anderen Wochentagen in der Frühe.

 

c. Die Exekutionen wurden in der Mehrzahl durch Erschiessungen vorgenommen. Dr. Schumacher hatte E. schon bei dessen Dienstantritt berichtet, mit welchen grauenhaften Begleiterscheinungen (Ausladen der Leichen) die Vergasungen verbunden waren und welchen seelischen Belastungen die SS-Männer ausgesetzt waren, die die Leichen zu vergraben hatten. E. war dem aufgeschlossen und wollte nur noch Erschiessungen durchführen lassen. Damit war er jedoch auf Widerspruch beim RSHA gestossen, so